Neue Auftrittstermine, neuer Text

Ich freue mich auf jeden Auftritt als Teil der Lesebühne Kunstloses Brot. Und ich freue mich auch immer über die Themenvorschläge des Publikums. Unsere Junilesung stand unter dem Motto Liebesnest. Hm. Das ist natürlich weniger schön, wenn man gerade versucht mit dem Aus der eigenen Beziehung klarzukommen. Aber irgendwie ging es ja dann doch gut. Wir sind schließlich erwachsen, oder so ähnlich. Und hey, ich habe gerade Urlaub und nutze die Zeit, wieder zu mir selbst zu finden. Umso schöner, dass zwei neue Sommer-Auftritte dazugekommen sind: Am Sonntag lese ich bei einer Vernissage des Künstlers Byung-Chul Kim zum Thema »Essen« und im August lese ich zusammen mit Bonny Lycen und Jan Lindner auf dem Wilde Möhre Festival! :) Zum Beweis auf das Foto unten klicken.

Ihr wollt wissen, was ich zum Thema Liebesnest fabriziert habe? 

 

Liebesnest – Hausarrest
Liebesnest – bis du's verlässt

Liebesnest – Träumerest

Liebesnest – Beulenpest

Liebesnest – Diebesfest

Liebesnest – kaum gestresst

Liebesnest – without a rest

Liebesnest – just the best

 

Eigentlich wär's das gewesen. Aufgabe erfüllt. Aber ihr kennt mich ja: Bei mir wird's immer persönlich und deshalb entstand mein (ausführlicherer) Textbeitrag aus einem Selbstversuch, den ich euch ans Herz legen möchte. Komisch, dass man dazu erst eine Trennung braucht. Ich widme den Text all den lieben Menschen, die mir in letzter Zeit gezeigt haben, dass sie immer für mich da sind. 

Urlaub zuhause.

 

Ich liebe … mich!

Und deshalb bau ich mir ein Nest.

Ob ich jemanden mit reinlasse?

Hm, mal sehen.

 

Urlaub zuhause

 

Ich packe meinen Koffer. Ich packe meinen Koffer und nehme mit: Meine Zahnbürste, mein Lieblingskleid und mein Buch. Mein Buch, das schon lange auf mich wartet, aber dessen Buchrücken noch völlig jungfräulich vor mir steht. Makellos, weil nie aufgebrochen.

 

Und dann? Dann schultere ich das Gepäck und ziehe um. Für eine Nacht ins andere Viertel. Meine Pläne? Allein sein. Allein sein in einem unbekannten Zimmer nur für mich. In einem Zimmer, in dem jemand frische Bettwäsche für mich aufgezogen und Schokolade aufs Kopfkissen gelegt hat. Es muss nicht immer ein anderes Land sein. Monatelang. Es muss nicht mal eine andere Stadt sein. Wochenlang. Manchmal reicht es auch, nach nebenan zu ziehen. Für einen Tag und eine Nacht.

 

Ich überlege, ob ich schwindeln soll. Entscheide mich aber dagegen und lächel über den verdutzten Blick beim Check-In. Meine neue Perspektive ist alltäglich und ich steh dazu. Heute bin ich nicht Mitarbeiterin, Freundin, Tochter, Schwester, Geliebte. Gehöre nirgendwo hin. Heute bin ich einfach … Ich. Einfach? Nein. Aber ich fühle mich richtig an. Ich stelle den Koffer auf den Boden und reiße das Fenster auf. Atme tief ein und freue mich. Hänge mein Kleid auf und werf mich aufs Bett, baue mir ein Nest und überlege, worauf ich Lust habe. Essen gehen. Und Musik. Klassisch, mit Gesang am besten. Ein Gläschen Sekt, schickes Kleid und Leute anschauen. Einfach so.

 

Was ist Glück?

Manchmal ist Glück, wenn man sich in der Hostel-Dusche einen Klecks Duschgel stibitzt. Grapefruit, vegan und fremd. Fremd ist gut.

Manchmal ist Glück, wenn die Kellnerin im Restaurant ungefragt die Kerze auf deinem Zweiertisch anzündet, ohne wissen zu wollen, ob du noch jemanden erwartest.

Manchmal ist Glück, wenn du selbst merkst, dass sich niemand um dich schert oder irgendetwas von dir erwartet.

 

Ich gönne mir das exotischste Gericht auf der Karte und trinke dazu einen Wein. Nach all den Dönern, Pommes und Billigbier der letzten Tage fühle ich mich geradezu mondän und weltgewandt. „Exquisites Essen für eine exquisite Persönlichkeit“, denke ich und muss grinsen. Der Vater am Nebentisch reagiert genervt, als sein kleiner Sohn fast den gesamten Inhalt seiner Spaghetti mit roter Soße auf Schoß und Boden katapultiert. Mitfühlend schaue ich erst hin – dann wieder weg. Hey, heute juckt mich das nicht. Ich habe mein Buch dabei und versinke wieder in dessen Seiten. Schön.

 

Im Konzert sitze ich ganz hinten. Für mich. Nach einer Weile traue ich mich und mach es mir bequem. Denn Glück ist auch: Wenn man sich schick macht im Lieblingskleid, sorgfältig schminkt und im Theater 4 Plätze blockiert: Einen zum Sitzen, zwei für die Arme rechts und links, schön auf die Lehnen und einen für die Füße davor. Natürlich ohne Schuhe. Ich bin ganz Pascha und fühle mich frei.

 

Glück ist auch, in der Pause mit dem Barmann zu schäkern und das Gläschen Sekt um zwei Euro herunterzuhandeln, weil das Geld nicht mehr reicht. Und dabei zu merken, dass man heute nur mit Leuten geredet hat, die man nicht kennt. Zu denen man noch nie zuvor ein Wort gesprochen hat.

 

Zurück laufe ich einen Umweg, um noch ein wenig länger zusehen zu können, wie mein Rock um die Knie schwingt. Ich frage mich, warum ich mein Kleid nicht öfter trage. „Keine passende Gelegenheit“ - das Argument erscheint mir auf einmal so schal. Das Zimmer, das fremd riecht, ist gelb gestrichen. Die Möbel sind aus dunklem Holz und knarren. Heute Nacht gibt das Fremde Geborgenheit. Ich knipse das Licht aus, breite die Decke über mich und kuschel meinen Kopf auf das Kissen. Ich weiß nicht, wie lange ich so liege und einfach vor mich hinschaue. An die Decke. Ein Gefühl für Zeit habe ich abgelegt. An was ich denke? An nichts. Alles passiert von ganz allein. An diesem Tag, an dem ich ganz ich bin. An diesem Tag habe ich mir ein Nest gebaut. „Vielleicht komme ich wieder.“, murmele ich und schlafe ein.


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